
Im Zusammenhang mit der Presseerklärung des russischen Außenministers zu den Ergebnissen der trilateralen Gespräche mit den Außenministern der Republik Armenien und der Aserbaidschanischen Republik vom 25. Juli 2023 halten wir es für notwendig, Folgendes zu erklären.
Die Republik Arzach schätzt die langjährigen Vermittlungsbemühungen der Russischen Föderation sowohl in ihrer nationalen Eigenschaft als auch als Ko-Vorsitzender der Minsk-Gruppe der OSZE sehr. Wir sind Russland dankbar für seinen außergewöhnlichen Beitrag zur Beendigung der 44 Tage andauernden Aggression Aserbaidschans und für die in Arzach durchgeführte Friedensmission.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die russische Seite während des Treffens ihre Einschätzungen zu den Schritten dargelegt hat, die im Interesse der Versorgung der Bevölkerung von Arzach mit Lebensmitteln, Medikamenten und lebensnotwendigen Gütern sowie zur Gewährleistung einer stabilen Strom- und Gasversorgung bedingungslos und unverzüglich ergriffen werden sollten.
Ohne das Engagement Russlands in Frage zu stellen, den Parteien bei der Suche nach einer langfristigen Lösung des Konflikts zwischen Aserbaidschan und Karabach zu helfen und zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan beizutragen, halten wir es dennoch für notwendig festzustellen, dass die von russischer Seite vorgeschlagene Vision des Dialogs zwischen Stepanakert und Baku nicht ausgewogen ist. Die Behauptung, der Dialog sei notwendig, um sich über die Rechte zu einigen, die sich aus internationalen Verpflichtungen ergeben, einschließlich der Konventionen zum Schutz der Rechte nationaler Minderheiten, spiegelt den Standpunkt nur einer Partei wider – Aserbaidschan. Ein solcher Ansatz gibt den Ausgang eines möglichen Dialogs vor und untergräbt und entwertet dadurch dessen Bedeutung.
Die Behauptung, der aserbaidschanisch-karabachische Konflikt sei ein Problem, bei dem es um die Wahrung der Rechte einer nationalen Minderheit gehe, ist eine von Aserbaidschan verbreitete falsche Darstellung, um das Wesen des Konflikts zu verzerren und die Weigerung zu rechtfertigen, das Selbstbestimmungsrecht des Volkes von Arzach anzuerkennen, ein Grundprinzip des Völkerrechts, auf das sich die Russische Föderation selbst wiederholt berufen hat. Der Versuch, eine Lösung des Aserbaidschan-Karabach-Konflikts in der Logik der Gewährleistung der Rechte nationaler Minderheiten zu finden, ist realitätsfern und kann nicht zu einem gerechten, ausgewogenen und würdigen Frieden führen. Vor dem Hintergrund der eklatanten Nichteinhaltung der Bestimmungen trilateraler Erklärung vom 9. November 2020 durch Aserbaidschan und seiner internationalen Verpflichtungen zur Umsetzung der rechtsverbindlichen Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen sowie zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung ist jede Behauptung, Aserbaidschan werde sich freiwillig an irgendwelche Mechanismen halten, gegenstandslos. Der Versuch, eine solche Vorstellung von Konfliktlösung aufzuzwingen, wird zu den katastrophalen Folgen führen.
Zur Aussage, das heikelste Thema der Verhandlungen war und bleibe „das Problem der Gewährleistung der Rechte und der Sicherheit der Armenier von Berg-Karabach im Rahmen der Gewährleistung der territorialen Integrität Aserbaidschans in voller Übereinstimmung mit der 1991 von den Führern der ehemaligen Sowjetrepubliken in Alma-Ata unterzeichneten Erklärung“, halten wir es für angemessen, noch einmal daran zu erinnern, dass die Republik Arzach zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Dokuments den Prozess der Abspaltung von Aserbaidschan in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung der Sowjetunion und den Normen des Völkerrechts abgeschlossen hatte.
Darüber hinaus sollte sich die Erklärung von Alma-Ata, wie jedes internationale Dokument, an den Zielen und Grundsätzen der UN-Charta und anderen allgemein anerkannten Normen und Grundsätzen des Völkerrechts orientieren. Folglich enthält die Erklärung von Alma-Ata die gleichen Grundsätze und Normen wie die UN-Charta, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung. Zugleich unterliegt die Auslegung des Zusammenhangs verschiedener Rechtsnormen der allgemeinen Logik der Entwicklung des Völkerrechts und der internationalen Praxis.
In diesem Zusammenhang halten wir es für notwendig zu betonen, dass das Recht auf Sezession, das auf dem Prinzip der Selbstbestimmung der Völker beruht, in Fällen massiver schwerer Menschenrechtsverletzungen und diskriminierender Politiken Vorrang vor dem Prinzip der territorialen Integrität von Staaten hat. Diese Formel ist insbesondere in der Erklärung über die Grundsätze des Völkerrechts betreffend die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten beschrieben, auf die der Außenminister der Russischen Föderation wiederholt Bezug genommen hat. Wir stimmen mit der von der russischen Seite wiederholt geäußerten Auslegung des Zusammenhangs zwischen den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechts und der territorialen Integrität überein. Dieser Ansatz ist auch in der Rechtsprechung verschiedener Länder verankert.
Wir appellieren nachdrücklich an die internationalen Akteure, sich bei der Beilegung des Aserbaidschan-Karabach-Konflikts ausschließlich von den Grundsätzen des Völkerrechts und den Interessen der Menschen, die sich seit fast acht Monaten am Rande einer humanitären Katastrophe und unter der wachsenden Gefahr einer ethnischen Säuberung befinden, leiten zu lassen.
Die originale Version auf Englisch: https://www.nkr.am/en/news/2023-07-27/Comment_RussianFM